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Wo sind die Schätze aus Staßfurt?

Warum der Großteil der archäologischen Funde bis heute nicht öffentlich ausgestellt wird

Artikel vom 16. Januar 2021

Von Franziska Richter

In der Erde können unendlich viele Schätze ruhen: Keramik, ein Kamm aus Knochen, Ringe und Würfel waren es am Staßfurter Stadtsee. In Brumby ganze Friedhöfe und Siedlungen, Skelette und Bernstein. Was ist aus diesen „Schätzen“ geworden und warum werden sie nicht öffentlich gezeigt?

Nach bisher drei größeren archäologischen Ausgrabungen im Raum Staßfurt ist eine Kugel aus Stein der einzige Fund, der bis heute vor Ort geblieben ist. Es handelt sich um eine Zierkugel, die einst an der Fassade des alten Staßfurter Rathauses am Großen Markt thronte und bei den Untersuchungen vor dem Bau des neuen Archiv- und Bibliothekshauses am Stadtsee zu Tage trat. Der Geschichtsverein Staßfurt hat sie sich gesichert. „Wir haben die Archäologen einfach gefragt, ob wir eine haben können“, sagt Vereinschef Rico Schäfer. Heute liegt das schwere Stück in den Vereinsräumen.

Öffentlich zu sehen ist sie nicht. „Wir haben sie eigentlich nur für unseren Vereinsraum geholt“. Und das war es auch schon mit den archäologischen Fundstücken, die vor Ort in Staßfurt geblieben sind. Was die aktuelle Baustelle am Stadtsee für das neue Wohnhaus betrifft, habe man laut Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2019 zwar „einige wenige vorgeschichtliche Besiedlungsspuren“ gefunden.

Mauern vom alten Rathaus wurden entsorgt

Aber diese wurden in das Depot des Landesamtes überführt. In einem Lager mit unendlichen Regalen voller Kisten schlummern sie im Gebäude des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. Die Mauern des ehemaligen Rathauses dagegen, die ebenfalls freigelegt wurden, waren von der Baufirma entsorgt wurden. Sie aufzubewahren mache laut Landesamt keinen Sinn und bringe keine weitere wissenschaftliche Erkenntnis. Für die Archäologen ist der wichtigste Teil ihrer Arbeit getan: Alle Befunde wurden bei Ausgrabungen sorgfältig fotografisch und zeichnerisch dokumentiert, beschrieben und eingemessen. So blieben die Kulturdenkmale für die Nachwelt nach Meinung des Landesamtes erhalten.

Doch warum werden solche Funde nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Warum können sie geschichtsinteressierte Bürger nicht vor Ort etwa in einer Ausstellung ansehen? Auch bei der vorherigen Baustelle am Stadtsee zu Bibliothek und Archiv Fehlanzeige. „Wie alle bei archäologischen Grabungen im Land Sachsen-Anhalt geborgenen Funde, sind auch die Funde dieser Ausgrabung im Depot des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie archiviert und stehen der weiteren Forschung damit zur Verfügung“, sagt Martin Planert aus der Bodendenkmalpflege.

Also wieder im Regal gelandet. Immerhin mehrere Tausend Exemplare fanden die Archäologen im Frühjahr 2019, bevor das Stadt und Bibliothekshaus gebaut wurde. Hierzu gehören der Kamm aus Knochen und Bronze, die Ringe aus Glas, ein Würfel und die verzierten Keramikscheiben. Ob man nicht eine Ausstellung zu archäologischen Funden machen könne oder sie dem Museum in Staßfurt leihen könne das war auch schon Thema, als bei Brumby 2018 die Ergebnisse von Ausgrabungen vor dem Bau der Ortsumgehung vorgestellt wurden. Hier hatten die Archäologen nahezu sensationell viele Objekte aus mehreren Zeiten gefunden. Aber auch hierzu heißt es: „Die Funde der Ausgrabungen im Vorfeld der Ortsumgehung Brumby sind im Depot des Landesamtes archiviert.“

Leihgaben sind gängige Praxis

Warum die Funde nicht im Museum in Staßfurt angeschaut werden können: Es wurde einfach noch nicht versucht. Michael Scholl als Museumsleiter wäre begeistert, würde man all diese Dinge vor Ort ausstellen können: „Ja gerne, immer her damit“, sagt er darauf angesprochen. Allerdings weiß er nicht, wie er das praktisch realisieren soll. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist für alle „Schandtaten“ bereit: „Unser Haus erreichen jährlich zirka 60 bis 80 Leihanfragen“, erklärt Martin Planert aus Halle. „Bei Vorliegen der notwendigen Rahmenbedingungen, etwa die klimatischen Gegebenheiten für fragile Metallfunde oder Sicherheitsaspekte betreffend, steht der Ausleihe von archäologischen Funden nichts im Wege.“ Vielmehr unterstütze das Landesamt zahlreiche kleine Museen im Land bei deren Ausstellungen. Aus Staßfurt gäbe es aber bisher keine solche Anfrage. „Natürlich stehen wir einem solchen Ansinnen offen gegenüber und sind gerne bereit, dies zu unterstützen“, so Planert.

Wo sind die Schätze aus Staßfurt?